Auf der Friedenskundgebung am 18.3.22 haben zwei Schülerinnen des 10. Jahrgangs von ihren schlimmen Erlebnissen auf der Flucht vor dem Krieg in ihrem Heimatland erzählt und damit für große Betroffenheit gesorgt. Hier sind ihre Berichte.
Hania
Halla
„Ich war erst neun, als wir erfuhren, dass Freiheitskämpfer in unsere Stadt kommen werden, um gegen Assads Soldaten zu kämpfen. Zur Erklärung: Assad ist ein schrecklicher Diktator. So schnell wie möglich verließen wir die Stadt und gingen zu unseren Verwandten ins Dorf. Dabei nahmen wir nur Essen mit, alles andere ließen wir in unserer Wohnung zurück.
Bei unseren Verwandten war es sehr eng, da natürlich auch Onkel und Tanten mit ihren Kindern kamen. Pro Familie hatten wir nur einen Raum. Einen ganzen Monat lang lebten wir bei unseren Verwandten. Zu unserer Wohnung in der Stadt gingen wir kein einziges Mal.
Als wir hörten, dass Assads Leute abziehen, kehrten wir zu unseren eigenen Wohnungen zurück. Doch nach ca. zwei Monaten kam der ISIS („Islamischer Staat in Irak und Syrien“) in unsere Stadt und es fanden wieder Kämpfe statt. Leute wurden vom ISIS verhaftet und die ISIS-Kämpfer zogen sogar Kinder hinzu um es mit anzusehen. Sie bombardierten die Straßen, erschossen Unschuldige und zerstörten Häuser mit ihren Raketen. Wann immer wir die Raketen kommen hörten, gingen wir ins Badezimmer oder in den Keller. Im Badezimmer hörte man weniger von den Raketen und es lag an keiner Außenwand und war daher sicherer. In das Dorf gingen wir aber nicht zurück, da dort die Verschleppungsgefahr für Frauen noch höher war. Zudem waren die hygienischen Bedingungen nicht gut. Wir waren viele Menschen auf engem Platz, deshalb hatten z.B. jeweils drei Leute nur einen Eimer mit Wasser zum Duschen. Genug Essen gab es auch nicht.
Viele der Raketen schlugen in die Gebäude neben uns ein. Wer bei einem Raketenbeschuss gerade auf der Straße war, klopfte bei Nachbarn und suchte Schutz. Nach den Beschuss guckten wir wo Rauch aufstieg. Wir riefen dann voller Sorge Verwandte und Freunde an, wenn der Rauch aus ihrer Straße kam. Zur Schule ging keiner mehr, da auch diese mit Raketen beschossen wurden. Als meine Schwester und ich noch in der Schule waren, schlug einmal eine Rakete direkt in unserem Schulhof ein. Das hätte es sein können. Wir hatten fürchterliche Angst und weinten. Dennoch versuchte ich oft, meine Angst zu verstecken, damit ich den Krieg besser ertragen konnte.
Zwei Monate später versuchten wir aus Syrien zu fliehen. Erstmal sollte mein ältester Bruder nach Libanon fliehen. Leider wurde er von Assads Leuten gefangen genommen. Im Gefängnis erzählten sie ihm Sachen wie, dass wir (seine Familie) alle tot wären, nur um ihn leiden zu lassen. Nach drei Monaten Suche fanden wir das Gefängnis, in dem er war und konnten ihn endlich frei kaufen. Diese drei Monate waren noch schrecklicher für uns. Wir wussten nicht, ob wir ihn je wieder sehen und wenn, ob wir ihm helfen könnten. Nachdem wir ihn frei kauften, wollte der ISIS meinen anderen Bruder verhaften, da er sie provozierte. Er provozierte sie, weil er keine Hoffnung mehr hatte und lieber sterben wollte, als weiter im Krieg zu leben. Nach seiner Provokation rannte er dann aber doch nach Hause. Danach durfte er nie in die Nähe eines Fensters, da sie ihn natürlich suchten. Der ISIS hatte keine Probleme damit, auch Jüngere umzubringen und waren sehr hartnäckig beim Suchen. Deshalb musste er mit meiner Mutter in derselben Nacht die Stadt verlassen. Sie flohen in Richtung Türkei bis zur Grenze, wo sie eine Woche warten mussten, bevor sie in die Türkei durften. Wir schafften es erst nach einen Monat, und fünf fehlgeschlagenen Versuchen, zu ihnen zu kommen.
Der Krieg ist schrecklicher, angsteinflößender und schwieriger, als viele es denken. Obwohl ich erst neun Jahre alt war, habe ich mich nicht als Kind gefühlt. (…)